Der Angst ein Schnippchen schlagen:

Hier geht es speziell um Weisheiten und Erfahrungen aus dem Schatz der Logotherapie.

Wenn sich jemand mit dem Phänomen menschlicher Angst auskannte, dann war es der Wiener Psychiater Viktor E. Frankl (1905-1997). Selbst Opfer des Nationalsozialismus und Holocaustüberlebender, war er auch beruflich ein Leben lang mit den quälenden Ängsten seiner Patienten konfrontiert.
Angststörungen und Angsterkrankungen wurden zu Frankls Zeit unter dem Begriff der "Neurose" geführt. Er unterschied zwischen reaktiven, iatrogenen*, psychogenen, noogenen** und kollektiven Neurosen. Als gemeinsamen Nenner aller neurotischen Reaktionsmuster nennt er die Erwartungsangst. Die Erwartungsangst sei nicht selten das eigentlich Pathogene innerhalb der Entstehungsgeschichte der Neurose, indem sie "...ein an sich fllüchtiges und insofern harmloses Symptom fixiert, indem sie die Aufmerksamkeit des Patienten um dieses Symptom fokal zentriert." (Frankl a.a.O. S. 96)

Das heißt: Die Angst vor der Angst schürt die Angst und hält sie am Leben ("Circulus vitiosus").

Therapeutisch empfiehlt er, mit der Kraft des menschlichen Geistes "der Angst den Wind aus den Segeln zu nehmen" . Dabei helfen:

Die paradoxe Intention - die phobische Angst lächerlich machen und sich dann aus Spaß wünschen, was man eigentlich fürchtet. Dadurch wird die Angst entmachtet.



Dereflexion

Die Dereflexion
- Abstand nehmen vom ungesunden Kreisen um sich selbst, hin zur Selbstranszendenz,
der Hingabe an eine Sache oder eine Person.

 

Wertehorizont

Die Erweiterung des Wertehorizontes

- die Fixierung auf einen einzigen Wert im Leben kann zur Verzweiflung führen, z.B wenn dieser eine Wert wegbricht. Die Wertepalette im Leben ist aber groß und es macht das Leben reich und zufrieden, viele Werte zu schätzen und zu pflegen.

 

Trotzmacht des Geistes

Die Trotzmacht des Geistes

- das Steuer des eigenen Lebens trotz widriger Umstände selbst in die Hand nehmen.

 

Der Humor - ist eine wunderbare Medizin:

Leiden Sie unter Erröten oder hektischen Flecken im Halsbereich und fürchten, darauf angesprochen zu werden? Wappnen Sie sich doch innerlich mit der Entgegnung:"Ach, nur rot? Das ist nicht so schlimm. Sag mir Bescheid, wenn sie grün werden."

oder

"Rot? Wie schade, ich hätte doch so gerne bunte!"

Sie leiden unter einer "Kriminophobie", der Angst, Strafhandlungen zu begehen? Sagen Sie sich einfach: "Hoffentlich erwischen sie mich heute endlich, dann habe ich im Knast endlich mal ein bisschen meine Ruhe."

Sie haben Angst vor der Angst umzukippen, wenn Sie in einer Schlange warten müssen? Freuen Sie sich heimlich: "Ich bin der beste Umkipper/die beste Umkipperin der Welt und alle werden sich endlich mal richtig nett um mich kümmern!"

Sie leiden unter einer "Psychotophobie", der Angst, verrückt zu werden? Sagen Sie sich: "Das macht doch nichts, es fällt in dieser Welt wirklich nicht auf."


Wichtiger therapeutischer Grundsatz: Ich habe Angst, aber ich bin nicht meine Angst.



Wesentliches Fundament für Gesundheit und Stabilität des Menschen ist nach Frankl eine gelungene, reiche Sinnorientierung. Findet der Mensch keinen Sinn mehr in seinem Leben, kann er an einer noogenen Neurose erkranken. Für Frankl gibt es in jedem Leben und unter allen Umständen immer einen Sinn zu entdecken und zu erfüllen. Drei Wertkategorien führen zum Sinn: Schöpferische Werte, Erlebniswerte und Einstellungswerte. Die Sinnerfüllung ist immer individuell und kann nicht von außen gegeben werden sondern muss von jedem selbst gefunden werden. Man kann dabei nur helfend zur Seite stehen, wenn jemand schwer ringen muss, um noch einen Sinn in seinem Leben zu finden. Von diesem ganz persönlichen Lebenssinn grenzt Frankl den "Über-Sinn" ab, das, "was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält" oder warum und wozu die Welt geschaffen ist. Der Über-Sinn ist für den Menschen nicht fassbar, nicht erklärbar.
Die Logotherapie ist eine im wahrsten Sinne des Wortes "sinnvolle" Ergänzung zu allen anderen Psychotherapien und es ist u.a. Frankls großes Verdienst, dass die geistige Dimension des Menschen in der Psychotherapie endlich Beachtung gefunden hat. Seine Gedanken finden sich häufig in therapeutischer Literatur wieder. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Frankl Psychiater war und natürlich auch Medikamente verordnet hat bei entsprechender Indikation. Körper - Seele - und Geist waren für ihn eine untrennbare Einheit. Wenn dies nicht berücksichtigt wird, kann aus einer einseitigen Logotherapie leicht eine idealistische Überforderung des Menschen werden.
Dem trägt auch die moderne Angsttherapie Rechnung: Möglichst keine Medikamente, aber wenn es gar nicht anders geht, Medikamente, um die Psychotherapie zu unterstützen. Bevor dann aber zu Psychopharmaka gegriffen wird, sind die Schätze aus der Naturheilkunde allemal einen Versuch wert. Siehe auch Kapitel Aromatherapie.

Sie können hier ein Referat zu Reaktiven Neurosen als pdf-Dokument herunterladen. Frankl fasste unter dem Begriff Phobien, Zwangsstörungen, Sexualstörungen und "durch den Arzt hervorgerufene" (iatrogene) Störungen zusammen.

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*iatrogen = durch den Arzt hervorgerufen
**noogen = aus dem Geistigen entstanden